Der Postbeamte

Wenn er an seinem Arbeitsplatz sitzt, denkt er nur an die eine. Der Postbeamte von Schalter Nummer Drei ist verliebt: In die Kollegin von Schalter Nummer Sieben. Er sieht sie den ganzen Tag bei der Arbeit, wie sich sich bewegt, wie sie spricht, wie sie Briefmarken abzählt, wie sie Porto kassiert. Und doch sit sie unerreichbar: Zwischen ihnen sind noch Schalter Nummer Vier, Schalter Nummer Fünf und Schalter Nummer Sechs.

Früher war es noch schlimmer. Da waren Glasscheiben zwischen den einzelnen Schaltern, die Postbeamten saßen in gläsernen Käfigen, und wenn das Licht schräg fiel und sich in den Scheiben brach, konnte er seine Angebetete gar nicht sehen. Vom Hören ganz zu schweigen. Doch in der Zwischenzeit wurde die Post privatisiert, die Glastrennscheiben wurden entfernt, ein neuer Wind weht durch das Unternehmen. Die Beamten sind auch keine Beamten mehr, sondern Angestellte. Nur von den Kunden werden sie noch Postbeamte genannt. Die Kunden können mit der neuen Gangart nicht Schritt halten. Eigentlich müsste man nach solch einem Unternehmensumbau die Kunden gleich mit austauschen.

Die Postbeamten sitzen auch nicht mehr auf den klapprigen Drehstühlen, auf denen sie früher mit etwas Schwung von der Kassenschublade zum Brieffach für die Einschreiben rollen konnten. Sie lehnen jetzt an ergonomischen Stehhilfen, die aussehen wie schwindsüchtige Barhocker in der Szenekneipe. Seitdem kann er, wenn er herüber schaut, sehen, wie ihr Busen sich hebt und senkt, wenn sie spricht.

Manchmal kommt er etwas früher zur Arbeit. Dann legt er ihr heimlich die frischen Bögen mit den Sonderbriefmarken parat oder füllt das Wasser für ihr Befeuchterschwämmchen auf. Am meisten freut er sich, wenn sie krank ist. Dann nimmt er für einen Tag ihren Arbeitsplatz an Schalter Nummer Sieben ein und lehnt an der Sitzfläche, an der sonst sie mit ihrem süßen Hintern lehnt. So leicht wie dann gehen ihm sonst die Wurfsendungen nie von der Hand.