Der Polizeibeamte

Heute habe ich mein Zimmer durchsucht.

Um sechs Uhr dreißig verschaffte ich mir Eintritt in den Raum. Den Polizisten in meinem Bett weckte ich unsanft. Er war unbekleidet bis auf seine Dienstwaffe, die ich ihm beließ, damit er nicht vollends nackt dastünde. Ohne mich um seinen verschlafenen Protest zu kümmern, legte ich los: Alle meine Bücher nahm ich Stück für Stück in die Hand, blätterte sie durch und warf sie dann, gröber als nötig, auf den Boden. Die Seiten vibrieren, die Schutzumschläge zittern vor mir. Beim Aufschlagen auf meinem verdreckten Teppichboden erleiden meine Bände einige Verletzungen: Abschürfungen, Brüche und Eselsohren, aber bei dem Mist, der da drin steht – ich murmle: Scheißdreck –, macht das auch nichts mehr aus. Nachdem ich alle meine Bücher auf meinem Boden wüst verteilt habe, mache ich mich über den Schreibtisch her. Ich reiße alle meine Schubladen auf, krame wild darin herum und schmeiße dann auch deren Inhalt aufs Parkett. Der Feind in meinem Bett will protestieren, doch ich gebe ihm zu verstehen, dass Widerstand zwecklos sei. Währenddessen zertrümmere ich meine Bilderrahmen, um versteckte Geheimnisse hinter der Kunst zu lüften. Meine begossenen Zimmerpflanzen reiße ich aus der Blumen­erde, die Töpfe fallen herab und gehen entzwei. Lampen­schirme, staubige, werden befingert. Als ich mich meinem Bett nähere, um meine Durchsuchung auch unter die Matratze dringen zu lassen, zieht der wehrlose Polizist verschreckt seine Dienstwaffe. In diesem Augenblick trifft glücklicherweise mein Rechtsanwalt ein, der die Situation sofort erfasst und dem Beamten eine Rechtsbelehrung entgegenhält: Nicht statthaft sei die Benutzung der Dienstwaffe bei Durchsuchungen, macht er trockenen Tones den Polizisten aufmerksam, der daraufhin den Revolver sinken läßt, weil er dem Gesetz Gehorsam schuldet. Endlich kann ich auch mein Lager inspizieren, durchwühle mein Bettzeug (fleckig!) und werfe einen strengen Blick unter die Federn. Verdächtige Gegenstände schaufeln mein Advokat und ich in blaue Plastiktüten –Mülltüten! – und erstellen ein Protokoll, das wir beide unterschreiben. Noch einmal bäumt der Polizist sich auf, als wir uns mit den prallen Säcken unterm Arm aufmachen, und will uns am Verlassen der Wohnung – meiner Wohnung! – hindern. Ein juristischer Blick meines Beistands verweist ihn aber in die Schranken meines Bettes, wir können unbehelligt den Tatort verlassen und getrost dem Nachspiel entgegensehen, der Hauptverhandlung.