Der Fabrikbesitzer

„Frau Schneider, zum Diktat!“ ruft der Fabrikbesitzer in die Sprechanlage auf seinem Schreibtisch. Aber Frau Schneider kommt nicht. Da steht auch gar keine Sprechanlage auf dem Schreibtisch, an dem der Besitzer sitzt. Immerhin, der Schreibtisch steht da. Den haben sie ihm stehen lassen. Jeden Morgen um halb Sieben geht er zur Arbeit. Dann setzt er sich an den Tisch. Er ist da. Nur Arbeit ist nicht da. Die Arbeit ist weggegangen. Dann geht auch er. Jeden Abend um Sieben. Manchmal auch erst um Acht, denn Fabrikbesitzer arbeiten immer etwas länger.

Der Schreibtisch stammt noch von seinem Vater. Der war der Fabrikgründer. Der Schreibtisch ist ein Gründerzeitschreibtisch. An ihm saß sein Vater Tag für Tag und Nacht für Nacht. Als die Firma noch ganz klein war, war der Schreibtisch schon da und er war schon genau so groß. Als die Firma wuchs und wuchs, wuchs der Schreibtisch nicht mit, er blieb ganz der alte. Beinahe wirkte es so, als hätte sich die Größe der Firma der Größe des Schreibtischs angepasst, mit der Zeit, nicht umgekehrt. Sein Vater starb sogar an dem Schreibtisch, sein Herz blieb genau da stehen, wo der Schreibtisch steht. Es stand und lag nie viel auf dem Schreibtisch. Sein Vater hatte ein altes schwarzes Bakelittelephon, einen Brieföffner, eine lederne Schreibunterlage, ein Foto seiner Mutter und eines von ihm, dem Stammhalter, dem Nachfolger. Als er nachfolgte, nach dem Herzstillstand, folgten ein bild seiner Frau, ein goldener Kunstgegenstand und die Sprechanlage. Als es mit der Fabrik zu Ende ging, musste er seinen Schreibtisch räumen, für einen Verwalter. Als der Verwalter ging, war der Tisch völlig leer, sogar das Bild seiner Frau fehlte.

Der Fabrikbesitzer drückt noch einmal den roten Knopf der Sprechanlage. „Frau Schneider“, spricht der Besitzer, „bitte sagen Sie alle Termine für heute Nachmittag ab. Ich fühle mich nicht wohl“.

Ob sie ihn wohl gehört hat?